Brandgebäudeklassen_Grafik_2020-Eberl-Pacan Gesellschaft von Architekten mbH

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Nachdem bis weit in das 19. Jahrhundert hinein immer wieder große Stadtbrände Menschenleben und Sachwerte vernichteten, wurde im Bauwesen gründlich aufgeräumt. Es entstanden Bauvorschriften. Heute lassen sich Brände in Gebäuden meistens auf wenige Räume begrenzen. Das gelingt auch deshalb, weil im bautechnischen Brandschutz Gebäudeklassen definiert wurden. Die Einstufung in eine Gebäudeklasse erfolgt in Abhängigkeit vom Risiko der Brandentstehung, von der Anzahl betroffener Personen, den Möglichkeiten zu ihrer Rettung und den Chancen für eine schnelle Brandbekämpfung. Was Gebäudeklassen sind, welche Anforderungen an diese bestehen und wo Sie die einzelnen Vorschriften finden, erfahren Sie hier.

Wo sind die Brandschutz Gebäudeklassen definiert?

In Deutschland sind das Bauwesen und der damit verbundene Brandschutz Ländersache. Jedes Bundesland hat seine eigene Bauordnung. Den Rahmen gibt die Musterbauordnung vor. Dort sind im §2, Absatz 3 fünf Gebäudeklassen definiert. Die Länder haben die Definitionen wörtlich oder wenigstens im Prinzip in ihre Bauordnungen übernommen. Unterschiede finden sich lediglich in erklärenden Zusätzen und untergeordneten Abmaßen bei der Definition von Gebäudeteilen. Als letztes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen die Brandschutz Gebäudeklassen in seine Landesbauordnung aufgenommen.

Nach welchen Kriterien werden Bauwerke in Gebäudeklassen eingeteilt?

Abstände von Gebäuden

Bei freistehenden Gebäuden besteht nur eine sehr geringe Gefahr, dass sich ein Brand auf angrenzende Bauwerke ausbreitet. Freistehend bedeutet, dass die Außenwände mindestens 2,5 m von der Grundstücksgrenze und mindestens 5 m von anderen Gebäuden entfernt liegen. Angebaute Garagen oder Nebenräume gehören zum Gebäude. Doppel- und Reihenhäuser sind nicht freistehend. Wenn von den Abmessungen und der Nutzung freistehender Gebäude keine besonderen Risiken ausgehen, werden sie der niedrigsten Brandschutz Gebäudeklasse zugeordnet.

Nutzungsfläche

Die Nutzungsfläche entscheidet über die Länge möglicher Rettungs- und Angriffswege sowie über die Menge brennbarer Stoffe, die auf der Fläche verteilt sein können. Der Grenzwert liegt bei 400 m². An Gebäude mit einer größeren Grundfläche bestehen strengere Anforderungen an das Brandverhalten der Bauteile. Bei den einzelnen Gebäudeklassen bezieht sich dieser Grenzwert entweder auf die Grundfläche des Gebäudes oder auf die Summe aller Grundflächen der einzelnen Etagen. Das ist bei der Einstufung entsprechend zu berücksichtigen.

Gebäudehöhe

Die maßgebliche Gebäudehöhe reicht von der Geländeoberfläche bis zur Fußbodenoberkante der obersten Etage, auf der sich Personen gewöhnlich längere Zeit aufhalten. Davon ist abhängig, mit welchen Geräten Personen aus dem Gebäude gerettet werden können, wenn ihnen der normale Fluchtweg durch Rauch und Flammen versperrt ist. Tragbare Leitern, die auf den Löschgruppenfahrzeugen der Feuerwehr mitgeführt werden, lassen nur begrenzte Rettungshöhen zu. Mit Steckleitern, die am Einsatzort aus bis zu vier Teilen zusammengebaut werden können, erreichen die Einsatzkräfte Höhen von maximal 7 m. Über die dreiteilige Schiebeleiter können Menschen aus bis zu 13 m Höhe gerettet werden. Darüber hinaus werden Drehleitern benötigt. Die reichen je nach Baugröße von 23 m bis zu 60 m. Die Ausrüstung der örtlichen Feuerwehr mit Leitern entscheidet mit über Bauvorschriften und ggf. mögliche Ausnahmen.

Anzahl der Nutzungseinheiten

Eine Nutzungseinheit ist jeder Teil eines Gebäudes, der einen eigenen Zugang hat. Der Zugang kann in ein Treppenhaus, einen Flur oder ins Freie führen. Wie viele Räume zur Nutzungseinheit gehören und ob es sich um beispielsweise eine Wohnung, ein Geschäft oder eine Praxis handelt, ist irrelevant. Bei der Brandbekämpfung entscheidet die Zeit bis zum Einsatz des Löschmittels darüber, wie weit ein Brand um sich greifen kann und ob Menschen rechtzeitig aus dem Gefahrenbereich gebracht werden können. Verschlossene Zugänge sind Hindernisse, deren Überwindung wertvolle Minuten kostet. Gebäude mit mehr als zwei Nutzungseinheiten werden deshalb in eine höhere Klasse eingestuft.

Art der Nutzung

Von der Nutzungsart eines Gebäudes hängen das Risiko einer Brandentstehung und die Geschwindigkeit der Brandausbreitung ab. Sind leicht zu entzündende Stoffe, explosionsfähiges Material oder große Mengen brennbarer Stoffe in einem Bauwerk vorhanden, muss das Gebäude so beschaffen sein, dass ein Feuer spätestens an den Außenwänden aufgehalten wird.

Nutzen sehr viele Menschen ein Bauwerk, besteht im Brandfall die Herausforderung, alle rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Dabei spielt es eine entscheidende Rolle, ob die Personen in der Lage sind, das Gebäude selbständig zu verlassen, oder ob sie dafür Hilfe benötigen. Es kann einige Zeit dauern, bis ein Bauwerk evakuiert ist. So lange müssen die Bauteile dem Feuer standhalten und die Fluchtwege rauchfrei bleiben.

Ab einer Gebäudehöhe von mehr als 22 m gelten Bauwerke als Hochhäuser. Personen aus den oberen Stockwerken müssen im Brandfall durch Treppenhäuser ins Freie gelangen können, weil die Standardausrüstung der Feuerwehren für die Rettung über Leitern nicht ausreicht.

Auf der Grundlage dieser Überlegungen sind in den Bauordnungen Definitionen für Sonderbauten enthalten. Dabei handelt es sich neben Hochhäusern zum Beispiel um Schulen, Pflegeeinrichtungen, Krankenhäuser, Versammlungsstätten oder brandgefährdete Werkstätten und Lager von Betrieben. Sonderbauten unterliegen besonderen brandschutztechnischen Anforderungen, die in speziellen Verordnungen festgeschrieben sind.

Welche Gebäudeklassen sind definiert?

Hier haben wir für Sie die Definitionen der Brandschutz Gebäudeklassen als Tabelle zusammengestellt.

Gebäudeklasse 1a

  • maximale Höhe 7 m
  • maximal 400 m²
  • Gesamtnutzungsfläche
  • maximal zwei Nutzungseinheiten
  • freistehend

Gebäudeklasse 1b

  • land- oder forstwirtschaftlich genutzt
  • freistehend

Gebäudeklasse 2

  • maximale Höhe 7 m
  • maximal 400 m² Gesamtnutzungsfläche
  • maximal zwei Nutzungseinheiten

Gebäudeklasse 3

  • maximale Höhe 7 m
  • sonstige Gebäude

Gebäudeklasse 4

  • maximale Höhe 13 m
  • maximale Grundfläche pro Nutzungseinheit 400 m²

Gebäudeklasse 5

  • maximale Höhe 22 m
  • sonstige Gebäude
  • unterirdische Gebäude

Welche brandschutztechnischen Anforderungen bestehen an Baustoffe und Bauteile?

Baustoffe werden nach ihrer Brennbarkeit eingestuft. Die DIN 4102-1 verwendet zu diesem Zweck die Baustoffklassen:

  • A1: nicht brennbar
  • A2: wesentliche Bestandteile nicht brennbar
  • B1: schwerentflammbar
  • B2: normalentflammbar
  • B3: leichtentflammbar (für Bauteile verboten)

Wie lange ein Bauteil im Brandfall seine Funktion erfüllt, ist nicht nur von der Brennbarkeit der Baustoffe abhängig. Für Bauteile gilt deshalb die Einstufung in Feuerwiderstandsklassen nach DIN 4102-2:

  • F0: nicht feuerhemmend
  • F30: feuerhemmend
  • F60: hochfeuerhemmend
  • F90: feuerbeständig
  • F120: hochfeuerbeständig
  • F180: höchstfeuerbeständig

F steht dabei für Feuerwiderstand, die Zahl dahinter gibt an, wie viele Minuten das Bauteil seine Funktion beibehält. Im Zuge der Harmonisierung der Rechtsvorschriften in der Europäischen Union erhalten die Feuerwiderstandsklassen neue Bezeichnungen. Inhaltlich bleibt es jedoch bei den bekannten Anforderungen.

Die Einstufung von Baustoffen und Bauteilen unterliegt klar beschriebenen Prüfvorgaben entsprechend der jeweiligen Normen. Sie dient als Grundlage für die Festlegung der Anforderungen an die Bauteile in den verschiedenen Gebäudeklassen. Die wichtigsten Bauteile sind:

  • Trennwände
  • Treppenraumwände
  • tragende Wände und Stützen
  • Brandwände
  • Decken
  • Dächer
  • Treppen
Brandgebäudeklassen_Grafik_2020-Eberl-Pacan Gesellschaft von Architekten mbH

Darstellung der Gebäudeklassen nach MBO; Grafik Cornelia Halbach, © brandschutz plus GmbH

Die oben stehende Grafik ist in Zusammenarbeit mit dem erfahrenen Brandschutzplaner Reinhard Eberl-Pacan der brandschutz plus GmbH erstellt worden. (Wir danken an der Stelle herzlich für diese tolle Veranschaulichung!)

Gebäudeklassen Anforderungen an Baustoffe und Bauteile

Die Harmonisierung der Rechtsvorschriften in der Europäischen Union nimmt auf die Befindlichkeiten deutscher Bundesländer keine Rücksicht. Wir beschränken uns hier deshalb auf die Vorgaben der Musterbauordnung. Bei konkreten Bau- oder Umbauvorhaben sollten Sie Ihre Landesbauordnung zurate ziehen. Einen Überblick über die Anforderungen an ausgewählte Bauteile gibt Ihnen die folgende Gebäudeklassen - Tabelle.


TRAGENDE WÄNDE UND STÜTZEN

Tragende Wände und Stützen im Kellergeschoss

Decken

Decken im Kellergeschoss

GK 1

keine besonderen Anforderungen

feuerhemmend

keine besonderen Anforderungen

feuerhemmend

GK 2 

feuerhemmend

feuerhemmend

feuerhemmend

feuerhemmend

GK 3 

feuerhemmend

feuerbeständig

feuerhemmend

feuerbeständig

GK 4

hochfeuerhemmend

feuerbeständig

feuerbeständig

hochfeuerhemmend

feuerbeständig

GK 5

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerbeständig

feuerbeständig

Dächer

Die Vorgaben für Dächer richten sich nach den Abständen zwischen den Gebäuden. Werden die Mindestabstände zu Nachbargebäuden unterschritten, sind harte Bedachungen erforderlich.

Notwendige Trennwände, Treppenräume, Flure und Treppen

Bauwerke der Gebäudeklassen 3 bis 5 benötigen als Rettungsweg für betroffene Personen und als Angriffsweg für die Einsatzkräfte der Feuerwehr notwendige Treppen, Treppenräume und Flure. In diesen Klassen sind außerdem notwendige Trennwände erforderlich, die die Ausbreitung des Feuers für eine bestimmte Zeit verhindern.

Bauten aus Holz

Bauteile aus Holz sind bestenfalls hochfeuerhemmend. In den Gebäudeklassen 1 und 2 sind sie problemlos einsetzbar. Für Bauteile, die feuerbeständig sein müssen, ist die Verwendung von Holz unzulässig. Wollen Sie trotzdem Gebäude der Klassen 3 bis 5 vollständig aus Holz errichten, müssen Sie die Brandsicherheit durch geeignete technische Mittel herbeiführen und nachweisen. Sie benötigen eine Sondergenehmigung von der zuständigen Bauaufsichtsbehörde.

Brauchen Gebäude immer eine Genehmigung?

Prinzipiell brauchen alle Bauvorhaben eine Genehmigung. Wenn es allerdings im Rahmen eines Bebauungsplanes durchgeführt werden soll, die darin enthaltenen Regelugen befolgt werden, die Erschließung gesichert ist und die Gemeinde einverstanden ist, gibt es Ausnahmen von der Genehmigungspflicht. Jedes Bundesland legt fest, welche Gebäude dafür infrage kommen. Die Musterbauordnung sieht dafür sechs unterschiedliche Varianten vor. Möglich ist die Freistellung von der Genehmigung zum Beispiel bei Wohngebäuden. Sie kann auf die Gebäudeklassen 1 und 2 oder auf die Gebäudeklassen 1 bis 3 beschränkt werden.

Wer trifft die Entscheidung in welche Gebäudeklasse ein Gebäude fällt?

Jedes Bauwerk muss durch eine Person, die über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, entworfen und geplant werden. Diese Person wird als Entwurfsverfasser bezeichnet. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Einstufung des zukünftigen Bauwerks in die richtige Gebäudeklasse. Die Entscheidung trifft sie auf der Grundlage der rechtlichen Vorgaben. Erst danach kann sie festlegen, welche Baustoffe und Bauteile für das Gebäude verwendet werden sollen.

Wer prüft, ob die Anforderungen der Gebäudeklassen eingehalten wurden?

Die Bauaufsichtsbehörde, die den Bauantrag bewilligt, prüft die Einstufung nach. Während der Bauarbeiten kann sie unabhängig von der Genehmigungspflicht kontrollieren, ob die vorgeschriebenen Baustoffe und Bauteile tatsächlich verwendet werden.

Was passiert, wenn Gebäude einer falschen Gebäudeklasse zugeordnet werden?

Werden Gebäude einer höheren Gebäudeklasse zugeordnet, wird der Bau unnötig teuer. Die Einstufung in eine zu niedrige Gebäudeklasse hat zur Folge, dass die Pläne geändert werden müssen. Fällt es zu spät auf, folgt der Abriss.

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