In den meisten Unternehmen besteht zumindest ein rudimentäres Bewusstsein dafür, dass Arbeitsschutz wichtig ist und regelmäßig dokumentiert werden muss. Idealerweise sind bestimmte Mitarbeiter besonders geschult und damit beauftragt, den Arbeitsschutz im Betrieb zu gestalten, umzusetzen und auch zu dokumentieren.
Dennoch bietet die Arbeitsschutzdokumentation in der Praxis viele Herausforderungen. Längst nicht in allen Unternehmen ist die Sachkunde zum Arbeitsschutz allgemein und zu den Dokumentationspflichten ausreichend.
Einige Fragen, die sich in dem Zusammenhang oft ergeben sind:
- Muss jedes Unternehmen - auch ein Kleinunternehmen - Arbeitsschutzdokumente erstellen?
- Welche Inhalte und welche Form muss die Arbeitsschutzdokumentation haben?
- Wie oft muss sie aktualisiert werden? Wie sind Arbeitsschutzdokumente aufzubewahren?
Die zentrale Norm § 6 ArbSchG (Arbeitsschutzgesetz) beantwortet sie nicht alle. Erfahren Sie mehr zum Thema in diesem Beitrag.
Was ist Arbeitsschutz, was ist eine Arbeitsschutzdokumentation und was sind Arbeitsschutzdokumente?
Arbeitsschutz soll dabei helfen, Arbeitsunfälle und schädliche Einwirkungen auf Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu vermeiden. Zentrale gesetzliche Regelungen im Arbeitsschutz sind das Arbeitsschutzgesetz, das Arbeitsschutzsicherheitsgesetz und weitere Gesetze wie das Arbeitszeitgesetz. Daneben beschreiben unterschiedliche Arbeitsschutzverordnungen besondere Gefährdungspotenziale in Unternehmen und mögliche Maßnahmen zum Schutz vor diesen.
§ 6 ArbSchG legt eine allgemeine Dokumentationspflicht im Arbeitsschutz fest. Die Arbeitsschutzdokumente umfassen sämtliche Informationen zur Bewertung von Gefährdungspotenzialen im Unternehmen und zu Maßnahmen, die zur Abwehr von Risiken, Gefährdungen und Gefahren getroffen worden sind. Anders ausgedrückt ist die Arbeitsschutzdokumentation eine gezielte Sammlung und Nutzbarmachung dieser Informationen, auf die jederzeit zurückgegriffen werden kann.
Zu einer ordnungsgemäßen Dokumentation gehört es im Arbeitsschutz auch, dass sämtliche Unfälle im Unternehmen, bei denen es zu einem Personenschaden gekommen ist, erfasst werden.
Die Dokumentationspflicht nach § 6 ArbSchG umschreibt nur die grundsätzliche Pflicht von Unternehmen, Arbeitsschutzdokumente vorzuhalten. Dabei wird auch auf eine gesonderte Gefährdungsbeurteilung Bezug genommen, die dem Unternehmen als Grundlage seiner Arbeitsschutzmaßnahmen dient.
Nicht beschrieben ist, in welcher Form Arbeitsschutzdokumente gefertigt und vorgehalten werden müssen. Auch sind die genauen Inhalte der Arbeitsschutzdokumentation nicht festgelegt. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Inhalte individuell für das einzelne Unternehmen entwickelt werden müssen. Ebenso sagt das Gesetz zur Dauer einer möglichen Aufbewahrung der Arbeitsschutzdokumente nichts aus.
Zentrale Vorschriften zur Arbeitsschutzdokumentation
Neben dem bereits genannten § 6 ArbSchG verpflichten weitere Gesetze und Vorschriften Unternehmen zur Dokumentationspflicht im Arbeitsschutz. Beispielsweise legt § 6 Absatz 8 der Gefahrstoffverordnung eine weitere spezielle Dokumentationspflicht beim Umgang mit Gefahrstoffen fest.
Dabei werden teilweise Pflichten festgesetzt, die über die allgemeine Dokumentationspflicht aus dem Arbeitsschutzgesetz hinausgehen. Für den Fall der Gefahrstoffverordnung bedeutet dies beispielsweise, dass ebenfalls dokumentiert werden muss, wie und wann eine mögliche Substitution (ein Ersetzen) von Gefahrstoffen geprüft worden ist. In einigen Bereichen muss deshalb die Arbeitsschutzdokumentation inhaltlich umfassender ausfallen als in anderen.
Wer wird mit der allgemeinen Dokumentationspflicht im Arbeitsschutz verpflichtet?
Grundsätzlich wird jedes Unternehmen dazu verpflichtet, eine seiner Situation angepasste Arbeitsschutzdokumentation vorzuhalten. Eine früher einmal vorhandene Kleinbetriebsklausel, nach der Kleinbetriebe auf eine Prüfung der Gefährdungsbeurteilung verzichten konnten, wurde aufgehoben.
Kann die Verpflichtung zur Dokumentation im Arbeitsschutz delegiert werden?
Verpflichtet wird gesetzlich in erster Linie der Arbeitgeber. Dieser kann im Rahmen bestimmter vertraglicher Gestaltungen, wie z.B. im Arbeitsvertrag, die Arbeitsschutzdokumentation auf Fachkräfte oder externe Dritte mit entsprechender Sachkunde übertragen. Mit einer Pflichten-Delegation bei der Arbeitsschutzdokumentation ist der Arbeitgeber allerdings nicht vollständig aus der Haftung entlassen. Bei ihm verbleiben Überwachungs- und Kontrollpflichten, deren Verletzung Haftungstatbestände auslösen können.
Inhalte der Arbeitsschutzdokumentation
Konkrete Inhalte sind bei der Arbeitsschutzdokumentation vom Gesetzgeber nicht vorgegeben. Aus § 6 ArbSchG ergibt sich aber, dass aussagekräftige Arbeitsschutzdokumente zumindest zu folgenden Bereichen stets verfügbar sein müssen:
- Gefährdungsbeurteilung
- darauf aufbauende Arbeitsschutzmaßnahmen
- Kontrolle und Überwachung der Maßnahmen
In der Praxis variieren Arbeitsschutzdokumentationen nach Umfang und Inhalten je nach Betriebsgröße, Gefahrenpotenzial und Branche. Dabei sollten sich Unternehmen bewusst machen, dass eine umfassende Arbeitsschutzdokumentation nicht nur der Nachweisführung gegenüber Behörden und öffentlichen Trägern wie der Berufsgenossenschaft dient. Darüber hinaus sind Arbeitsschutzdokumente auch Grundlage folgender Nachweisaspekte:
Sie sichern den Arbeitgeber allgemein haftungsrechtlich ab, weil er jederzeit nachweisen kann, ein Unternehmen arbeitsschutzgerecht organisiert zu haben. Hier können Arbeitsschutzdokumente sogar im Hinblick auf eine Organhaftung von Führungspersonen wie Geschäftsführern relevant werden.
Die Arbeitsschutzdokumentation erleichtert und ermöglicht es, maßgebliche Termine, Maßnahmen und Personen im betrieblichen Arbeitsschutz schriftlich festzuhalten. Sie ist deshalb ein wichtiges Werkzeug im Arbeitsschutzmanagement der Betriebe. Sie bilden die Basis dafür, um Arbeitnehmer im Arbeitsschutz zu unterweisen und damit weiteren Pflichten aus dem Arbeitsschutz nachzukommen. Außerdem ist die betriebliche Arbeitsschutzdokumentation die Grundlage für die Aufgabenerfüllung von Betriebsärzten, Fachkräften für Arbeitsschutz, Sicherheitsbeauftragten und Arbeitsschutzausschüssen.
Die Dokumentation im Arbeitsschutz verwirklicht die Rechte auf Information von Betriebsräten/Personalräten.
Die jeweils individuellen Inhalte der Arbeitsschutzdokumentation im Betrieb sollten sich auch an diesen Aufgabenbereichen ausrichten.
Begleitende Pflichten bei der Arbeitsschutzdokumentation: Aufbewahrung und Aktualisierung
Das Arbeitsschutzgesetz schreibt nicht vor, wie Dokumentationen im Arbeitsschutz vorzuhalten und aufzubewahren sind. Dieser weite Spielraum für Arbeitsschutzdokumente kann jedoch zu großen Unsicherheiten führen. Die entsprechenden Fachkräfte im Unternehmen müssen sich selbst Gedanken dazu machen, wie sie Gefährdungen und Maßnahmen sachgemäß in ihrem Betrieb dokumentieren und speichern.
Die Erfassung und Abspeicherung in Schriftform ist möglich, erweist sich in der Praxis aber häufig nicht als sehr praktikabel. Zunächst einmal nehmen verkörperte Akten und Schriftstücke viel Lagerkapazität in Anspruch. Außerdem kann es schwierig sein, in Akten das jeweils passende Schriftstück sofort zu finden. Ein Brand oder ein Wasserschaden gefährden die Existenz der Arbeitsschutzdokumentation in ihrem Kern.
Deshalb sollte elektronischen Speichermedien der Vorzug gegeben werden. Sie haben den Vorteil, dass bei einer Vernichtung der Originaldokumentation jederzeit auf eine vorsorglich verfasste Sicherungskopie - heute beispielsweise auch in einer Cloud - zurückgegriffen werden kann. Die Katalogisierung und das Zugreifen sind zudem bei elektronischen Medien erheblich einfacher.
Ebenso lassen sich elektronisch gespeicherte Informationen leichter aktualisieren. Dabei kann auch der aktuelle Aktualisierungsrhythmus - auch den muss das Unternehmen selbst festlegen - leichter terminiert, überwacht und dokumentiert werden.
Gefährdungsbeurteilung und Worst-Case-Szenario
§ 6 ArbSchG schreibt den Unternehmen im Arbeitsschutz und für die Arbeitsschutzdokumentation eine individuelle, auf die Situation in dem jeweiligen Unternehmen abgestimmte Gefährdungsbeurteilung vor. Bei der Gestaltung der Arbeitsschutzdokumentation sollten in dieser Hinsicht auch das sogenannte Worst-Case-Szenario und dazu getroffene Schutzmaßnahmen abgebildet werden.
Die Arbeitsschutzdokumente beschreiben dabei den schlimmsten, vorstellbaren Arbeitsunfall/den schlimmsten vorstellbaren Schadenseintritt, der in dem jeweiligen Unternehmen/Betrieb denkbar ist. Für diesen Worst-Case werden auch die dazu getroffenen Schutzmaßnahmen im Arbeitsschutz dokumentiert.
Spezielle Anforderungen am Beispiel der Gefahrstoffverordnung
Wie bereits erwähnt, gelten beim Umgang mit Gefahrstoffen auf Grundlage der gestaffelten Gefahrstoffverordnung ergänzende Dokumentationspflichten. In diesem Bereich müssen die Arbeitsschutzdokumente unter anderem auch erfassen,
- dass ein Ersetzen besonders gefährlicher Stoffe geprüft worden ist.
- warum gegebenenfalls von der Einhaltung technischer Regeln abgewichen wurde.
- dass Arbeitsplatzgrenzwerte für die Exposition der Arbeitnehmer gegenüber gefährlichen Stoffen nachweislich geprüft und dokumentiert worden sind.
Zu den Arbeitsschutzdokumenten beim Umgang mit Gefahrstoffen gehören deshalb insbesondere je nach Sachlage im Unternehmen Explosionsschutzdokumente. Die anspruchsvolle Prüfung von möglichen Ersatzstoffen für Gefahrstoffe kann mit Hilfe der Technischen Regel für Gefahrstoffe TRGS 600 vorgenommen werden. Sie bietet Kriterien zur Prüfung ebenso wie die "Tabelle Ersatzstoffprüfung" und die "Tabelle Abwägungsgründe zum betrieblichen Einsatz von Ersatzlösungen".
Für die Praxis: Checkliste zum Arbeitsschutz und zur Arbeitsschutzdokumentation
Mit einer Checkliste zur Arbeitsschutzdokumentation können relevante Inhalte für das eigene Unternehmen genauer bestimmt werden. Sie bildet den Rahmen für die Arbeitsschutzdokumentation und die Arbeitsschutzdokumente. Kern der Arbeitsschutzdokumentation ist die Gefährdungsbeurteilung. Sie sollte deshalb als Gesamtkonzept im Rahmen der Arbeitsschutzdokumentation auch einen entsprechenden Raum einnehmen.
Hier geht es darum zu dokumentieren, was, wie und von wem als Gefährdung festgestellt, festgehalten und mit darauf abgestimmten Schutz- und Sicherheitsmaßnahmen beantwortet wurde. Typische Arbeitsschutzdokumente für diesen Bereich sind deshalb beispielsweise:
- Begehungsprotokolle
- Erhebungsbögen
- Unterweisungsmaterialien
- Messprotokolle
- Dokumente, die auf entsprechende Vorschriften und weitere Arbeitsschutzdokumente Bezug nehmen
Allgemein lässt sich die Checkliste im Arbeitsschutz und in der Arbeitsschutzdokumentation in einer nachvollziehbaren Struktur gestalten. Ausgehend von der festgelegten Gefährdungsbeurteilung und deren Bewertung geht es um folgende Inhalte, die die Arbeitsschutzdokumente widerspiegeln sollten:
- Das Ausmaß der Gefährdungen: Wird es als gering, signifikant oder hoch bewertet?
- Welcher akute Handlungsbedarf besteht
- nach Dringlichkeit gestaffelt - um mögliche Gefährdungen sofort, kurz-, mittel- oder langfristig zu beseitigen?
Die Dokumentation der festgelegten Maßnahmen im Arbeits- und Gesundheitsschutz beantwortet die Frage danach,
- welche Maßnahmen durchzuführen sind.
- wer für die Durchführung der Maßnahmen verantwortlich ist.
- in welchem Zeitrahmen entsprechende Maßnahmen zu realisieren und zu aktualisieren sind.
- auf welche Art und Weise sowie wann Mitarbeiter eine Unterweisung zu den Maßnahmen erhalten haben.
- ob die durchgeführten Maßnahmen wirksam sind.
- ob zusätzliche Maßnahmen notwendig werden.
Folgen einer unterlassenen/fehlerhaften Dokumentation im Arbeitsschutz
Die möglichen Folgen einer unterlassenen/fehlerhaften Umsetzung bei der Arbeitsschutzdokumentation können gravierend sein. In der Regel fehlt dem Arbeitgeber in diesem Fall der Nachweis für ergriffene Maßnahmen im Arbeitsschutz und für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung.
Auf der zivilrechtlichen Ebene wird er sich deshalb bei einem Schadenseintritt nicht entlasten können, weil er nicht beweisen kann, sämtliche möglichen Maßnahmen im Arbeitsschutz und zur Gesundheitsvorsorge ergriffen zu haben. Auch die strafrechtliche Verantwortung als persönliche Verantwortung des Führungspersonals steht dann jederzeit im Raum.
Da die Pflicht zur Arbeitsschutzdokumentation eine wichtige Pflicht im gesamten Arbeitsschutz ist, können massive strafrechtliche Sanktionen bei Versäumnissen auf den Arbeitgeber zukommen. Wie bereits beschrieben, kann sich der Arbeitgeber auch nicht durch Delegation an sachkundige Dritte vollständig von seiner eigenen Verpflichtung vor allem zur Überwachung und Kontrolle von durchgeführten Maßnahmen entlasten.
Sie sollten wissen, dass die mit dem Arbeitsschutz befassten Behörden jederzeit ein Einsichtsrecht in die Arbeitsschutzdokumente haben. Das Unternehmen kann die Herausgabe und die Einsicht in die Arbeitsschutzdokumentation nicht verweigern. Hier drohen im Verweigerungsfalle Bußgelder und teilweise auch Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.
Es ist im eigenen Interesse des Unternehmens, aus arbeitsschutzrechtlichen und haftungsrechtlichen Gründen Arbeitsschutzdokumente sorgfältig zu führen, aufzubewahren und jederzeit geordnet zum Zugriff vorzuhalten.
Fazit: Es geht nicht ohne angemessene Arbeitsschutzdokumentation
Unternehmen sollten die Verpflichtung zur Arbeitsschutzdokumentation ernst nehmen. Arbeitsschutzdokumente dienen dem Nachweis, dass der Arbeitgeber, die ihm möglichen Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zur Abwehr typischer Gefahren am Arbeitsplatz durchgeführt hat. Dieser Nachweis ist gegebenenfalls nicht nur gegenüber Behörden und öffentlichen Trägern zu führen.
Er ist auch unverzichtbar gegenüber privaten Versicherern und anderen Parteien, die bei Schadensereignissen das Unternehmen und gegebenenfalls auch die Führungspersonen persönlich zivilrechtlich/strafrechtlich in die Haftung nehmen möchten.
Es gibt elektronische Systeme, die das Erstellen und das Aktualisieren der Arbeitsschutzdokumentation wesentlich erleichtern. Sie ermöglichen es auch, regelmäßige Termine zur Überprüfung und Überwachung getroffener Maßnahmen einzuhalten sowie diese ebenfalls sachgerecht zu dokumentieren.
Die Systeme stellen Checklisten im Arbeitsschutz und einschlägige Vorschriften bereit. Sie sorgen so auch dafür, dass keine relevante Anforderung vergessen wird. Ebenso erleichtern sie es, für das eigene Unternehmen individuell eine angemessene Gefährdungsbeurteilung zu erstellen.