Doch wie bewerten Versicherungen diese Risiken und was erwarten sie von Unternehmen im Bereich Brandschutz? Darüber hat Tanja Hagelganz, Co-CEO von KEVOX, mit Oleg Ernst von der Hübener Versicherungs AG gesprochen. Die Hübener Versicherungs AG ist ein Spezialversicherer für technische und risikoreiche Betriebe.
Warum gilt die Recyclingbranche aus Sicht der Versicherungen als besonders riskant?
Die Recyclingbranche ist als besonders risikobehaftet einzustufen, denn täglich ereignen sich bis zu 30 Kleinbrände. Allein in diesem Jahr wurden bereits über 60 Großbrände registriert. Zu den häufigeren Ursachen für Brände in Recyclingbetrieben zählen unter anderem beschädigte oder unsachgemäß entsorgte Lithium-Altbatterien. Diese können Kurzschlüsse verursachen und dadurch leicht entzündliche Materialien in Brand setzen. Für Versicherer ist diese Branche daher ein besonders sensibles Feld, das genaue Beobachtung und klare Sicherheitsstrukturen erfordert.
Wie läuft eine Begehung durch einen Versicherer ab und welche Unterlagen werden geprüft?
Bevor ein Versicherer ein Risiko bewerten kann, erfolgt eine detaillierte Sichtung der bereitgestellten Unterlagen. Dazu gehören Betriebs- und Prozessbeschreibungen, Lager- und Gebäudepläne, Feuerwehrpläne sowie Brandschutzkonzepte. Anschließend werden spezifische Risiken und Gefahrenquellen, etwa im Bereich Explosionsschutz oder bei gefährlichen Stoffen, ermittelt. Im nächsten Schritt folgt eine Begehung vor Ort, bei der unter anderem geprüft wird:

Auf Basis dieser Begehung wird das Risiko dann als hoch, mittel oder gering eingestuft. Je nach Ergebnis empfiehlt der Versicherer konkrete Maßnahmen, um Brandrisiken zu minimieren und den Versicherungsschutz zu gewährleisten.
Welche typischen Schwachstellen im Brandschutz treten in Betrieben immer wieder auf?
Die häufigsten Schwachstellen im Brandschutz entstehen durch Unwissenheit oder organisatorische Nachlässigkeit. Dazu zählen beispielsweise:
- unsachgemäß ausgeführte oder beschädigte Leitungsdurchführungen in feuerbeständigen Wänden.
- Ungeprüfte oder beschädigte Brandschutzklappen.
- Türen und Tore, die nicht regelmäßig geprüft werden, nicht selbstständig schließen oder dauerhaft offenstehen.
- Elektrische Anlagen als häufige Zündquelle durch lose Klemmen oder mangelhafte Isolierungen.
- Staubablagerungen auf Motoren, Lüftungsanlagen oder Schaltschränken.
- Zweckentfremdete Räume, etwa Technik- oder Heizräume, die als Lagerflächen genutzt werden.
- Falsch montierte Brandmelder oder überlagerte Sprinkleranlagen, deren Wirkfläche eingeschränkt ist.
- Sprühschatten durch zu hoch gestapelte Lagerware, wodurch das Löschwasser bestimmte Bereiche nicht erreicht.
- Beschädigte Sprühköpfe oder offene Rohrleitungen beeinträchtigen die Funktion der Löschanlage.
Die Mängel müssen in kürzester Zeit behoben werden. Falls betroffene Anlagen im Tarif als vorhanden aufgeführt sind, wird der gewährte Rabatt für die Zeit des Ausfalls aufgehoben, sofern dieser länger als 72 Stunden andauert.
Wie oft finden Versicherungsbegehungen statt und werden sie angekündigt?
Begehungen erfolgen sowohl vor Vertragsabschluss als auch regelmäßig während der Vertragslaufzeit. Bei Neuverträgen dient die Erstbegehung der Risikoabschätzung, wenn der Versicherer auf Basis der Unterlagen keine vollständige Bewertung vornehmen kann. Nach Vertragsabschluss hat die Versicherung in der Regel bis zu sechs Monate Zeit, die Besichtigung zu wiederholen. Danach finden die Begehungen abhängig von der Versicherungssumme in festgelegten Intervallen statt.
Bislang erfolgen die Versicherungsbegehungen zu 100 % angekündigt, aber vertraglich besteht auch die Möglichkeit unangekündigter Besichtigungen.
Was erwartet die Versicherung in Sachen interner Dokumentation und Nachweise im Brandschutz?
- Feuerwehr-, Lager- und Brandschutzpläne (Brandschutzkonzept)
- Dokumentation von Prüfungen und Prüfungsnachweise
- regelmäßige Prüfbescheinigungen elektrischer Anlagen
- Befundscheine und Nachweise umgesetzter Maßnahmen

Gerade in risikoreichen Branchen wie dem Recycling ist eine lückenlose Dokumentation von Prüfungen, Wartungen und Schutzmaßnahmen erforderlich. Fehlen Nachweise oder sind diese unvollständig, kann das die Versicherungsprämien erhöhen und den Versicherungsschutz gefährden. Mit KEVOX behalten Unternehmen sämtliche Brandschutzdokumente digital, strukturiert und rechtssicher im Blick und erfüllen so die Anforderungen der Versicherer effizient und nachvollziehbar.
Welche Auswirkungen hat ein guter Brandschutz auf die Versicherungsprämie?
Ein konsequent umgesetzter Brandschutz hat unmittelbare Auswirkungen auf die Prämiengestaltung. Betriebe mit klaren Strukturen, funktionierender Brandmeldetechnik und regelmäßigen Prüfungen werden von Versicherern besser eingestuft und profitieren von günstigeren Konditionen. Ein gut organisierter Brandschutz zahlt sich damit zweifach aus. Zum einen der finanzielle Vorteil und zum anderen eine höhere Sicherheit im Ernstfall.
Whitepaper: Erfüllt Ihr Betrieb die Erwartungen der Versicherung?
Drei Tipps eines Spezialversicherers: Brände vermeiden und Versicherungsschutz
gewährleisten.

Worin unterscheiden sich die Erwartungen der Versicherer von den gesetzlichen Mindeststandards?
Die gesetzlichen Mindeststandards, die der Gesetzgeber vorschreibt, dienen in erster Linie dem Personen- und Umweltschutz. Versicherer hingegen legen den Fokus zusätzlich auf den Sachwertschutz und die Vermeidung von Betriebsunterbrechungen. Daher gehen ihre Anforderungen meist über die gesetzlichen Vorgaben hinaus und sind deutlich detaillierter. Während der Gesetzgeber Brandmeldeanlagen oder Löschsysteme erst bei höheren Gefährdungsstufen fordert, sehen Versicherer solche Maßnahmen früher als notwendig an.

Welche neuen Technologien werden die Zukunft des Brandschutzes beeinflussen?
Künstliche Intelligenz (KI) wird künftig eine zentrale Rolle im Brandschutz spielen. Sie kann die Brandmeldetechnik, die Systemsteuerung und die Prozessüberwachung optimieren, um Risiken frühzeitig zu erkennen und Brände zu verhindern. Im Fokus stehen auch videobasierte Systeme, die Fehlalarme vorbeugen und eine präzisere Branddetektion ermöglichen können. Die Vernetzung verschiedener Systeme wie Brandmeldeanlagen, Rauch- und Wärmeabzüge, Löschanlagen und Gebäudeleittechnik kann zudem für schnellere Reaktionen, geringere Wartungskosten und eine höhere Betriebssicherheit sorgen.
Im Recyclingbereich können auch künftig KI-basierte Röntgensysteme zum Einsatz kommen, die brennbare Störstoffe bereits vor der Verarbeitung erkennen und aussortieren.
